Regionalgeschichte
Regionalgeschichte
Ansprechpartner: Dr. Jürgen Schmitter, Tel.: 02556 – 7210, Mobil: 01702027570
Warum Regionalgeschichte?
Kritische Regionalgeschichte versucht, an das Vergangene zu erinnern, ohne zu verklären.
Nicht nur Bücher zur Regional- und Kirchengeschichte befinden sich in den Beständen der heimat- und familienhistorischen Sammlung des Heimatvereins im Obergeschoss des Ackerbürgerhauses. Dr. Jürgen Schmitter arbeitet die Bestände auf, katalogisiert die Sammlung und stellt sie der Öffentlichkeit vor.
Ziel seiner Arbeit ist es, auf ehrenamtlicher Basis, im Archiv des Ackerbürgerhauses für den Heimatverein Metelen ein heimat- und regionalgeschichtliches Zentrum zu entwickeln und zu betreuen.
Metelen an der Vechtefurt
Erinnerte Geschichten eines Durchgangsortes
Von Dr. Jürgen Schmitter
Ich sitze auf der grob gezimmerten Holzbank an der neuen Fischtreppe, höre die intensiven Fließgeräusche der geteilten Vechte, die sich einerseits durch Ellings Wiese, andererseits durch ihr altes Bett an der Stiftsmühle vorbei bewegt. In den letzten Tagen hatte es durchgehend und intensiv geregnet, so dass sich genügend Wasser in den Baumbergen gesammelt hatte und der Wasserstand mächtig gestiegen war.
Ich schließe die Augen und stelle mir vor, dass sich vor Zeiten Richtung Straßenbrücke das Flussbett so verbreiterte, dass Mensch und Pferdewagen ohne Steinbrücke passieren konnten. Solche Furten waren reisenotwendig, denn Holzstege waren zu schwach und vermoderten mit der Zeit, und Steinbrücken – da fehlten oft kostbares Steinmaterial und konstruktives Wissen.
Das Wort „Furt“ hat es mir angetan und so rufe ich gewohnheitsmäßig „meinen“ GRIMM im Internet auf und finde: ein Durchgang für gehende, reitende, fahrende durch ein Wasser oder Gewässer, vadum, am häufigsten und gewöhnlich versteht man das Wort von einem solchen Durchgangsorte durch einen flusz. Das Wort Durchgangsort speichere ich und wiederhole mehrfach: „Metelen, ein Durchgangsort“ - zur Erinnerung.
Wenn ich meine Augen wieder öffne, sehe und höre ich die zweigeteilte Vechte, das Quaken der Enten und in der Ferne den Durchgangsverkehr, der zwar die neue Umgehungsstraße meidet, aber das Geschäftesterben im Ort nicht verhindern konnte.
Hinter dem Gebäude der Äbtissin, das zur Zeit durch seine neuen Besitzer von Grund auf renoviert wird und ab 1720 in Tuchfühlung zur älteren Abtei und zur Stiftskirche Ss. Cornelius und Cyprianus errichtet wurde, brechen die Strahlen der Mittagssonne hervor und unwillkürlich schließe ich wieder die Augen. Ich denke an die letzte Äbtissin, die Tante „unserer Droste“, und erinnere an die Worte der Dichterin zur Angst der Stiftsdamen vor den durchziehenden Truppen des Christian von Braunschweig im Jahre 1623. In ihrem Epos „Die Schlacht im Lohner Bruch“ heißt es:
Noch hat die Flur kein Feind betreten,
Noch zittert nur die fromme Luft
Vom Klang der Glocke, welche ruft
Die Klosterfrauen zu Gebeten,
Wo dort aus dichter Buchen Kranz
Sich Meteln hebt im Abendglanz.
Die Furt ist ein Durchgangsort für Freund und Feind. Ich phantasiere: schon römische Legionäre haben, hastig und in Auflösung begriffen, diese Furt durch die Vechte, die sie vidrus fluvius nannten, durchschritten, durchwatet ohne rückzublicken, in der Hoffnung, das rettende Militärlager am Niederrhein zu erreichen.
Der Urwald Germaniens hatte es in sich, nur die fünf Flüsse Rhein, Yssel, Vechte, Ems und Weser gaben Orientierung, da sie sich in die Nordsee öffneten und zumindest mit leichten Booten befahrbar waren. Doch die Boote der Römischen Legion auf der Ems, mit denen die Soldaten, vom Rheindelta und der Nordsee kommend, weit stromaufwärts gerudert waren, brannten, angesteckt von Urwaldpartisanen der hier lebenden germanischen Stämme, denen die relativ schwerfälligen Legionärstruppen wenig entgegensetzen konnten.
Samuel, das war der Spitzname des Beornrad, Erzbischof von Sens in Frankreich und Mitglied des Intellektuellenzirkels Karls des Großen. Bis zu seinem Tod im Jahre 797 blieb er auch Abt des Klosters Echternach in Luxemburg. Dieser Samuel kannte nicht nur seinen Tacitus und seinen Ptolemäus, sondern war vermutlich ein Jahrzehnt vor Liudger von Karl dem Großen zur Missionsarbeit in den sächsischen Gauen zwischen Rhein und Ems beauftragt worden. Daher kannte er die alten römischen Wege durch germania magna nicht nur aus der Literatur, sondern aus seiner Arbeit als Missionar. Er konnte also seinem Kaiser wertvolle Tipps geben, wie der in das Herz der sächsischen Stämme rechts des Rheins und nördlich der Lippe militärisch vordringen konnte.
Vermutlich war Samuel kein Freund der Zwangsmissionierung – und sein Missionsauftrag scheiterte -, aber sicher hat er mehrfach die Vechtefurt durchfahren und vielleicht den Plan geschmiedet, auch hier ein Königsgut mit fränkischen Vasallen anzusiedeln, um diesen Durchgangsort, den schon Ptolemäus von Hörensagen kannte, abzusichern.
Hundert Jahre später wird Arnulf von Kärnten, König des Ostfrankenreiches, ein Ururenkel
Karls des Großen und kurzzeitig römischer Kaiser, einer geadelten Frau aus dieser fränkischen Familie mit Pioniergeist mit Namen Friduwi dieses Gut als Frauenkloster zurückschenken und unter seinen Schutz stellen. Damit wird für Jahrhunderte aus dem Durchgangsort eine kaiserliche Freiheit, ein Ort des Gebetes und des Lernens.
Die „Freileins“, wie die Klosterfrauen und späteren Stiftdamen im Wigbold Metelen genannt wurden, konnten nicht nur beten und singen, sie konnten schreiben und lesen – im Gegensatz zu den Männern in ihren Familien -, sie wussten auch ihre Erfahrung und ihr Wissen weiterzugeben; sie gründeten eine Volks- und Lateinschule. So wurden über die Jahrhunderte aus Sachsen gebildete Münsterländer, auch wenn Heinrich Heine im 19. Jahrhundert über die Westfalen – wenn auch mit Sympathie – spottete.
Mein fiktiver Freund Heinrich Krechting, Bürgermeister und Richter in Schöppingen, Kanzler des Täuferreiches in Münster, gewandelter Calvinist und Hafenplaner in der Herrlichkeit Gödens am Schwarzen Brack, ist - wie sein Vater Engelbert – in Metelen zur Schule gegangen und sein Enkel wurde ein gelehrter und berühmter Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen. Dieser Enkel, getauft auf den Vornamen seines Großvaters, hat die Geschichte und Herkunft seiner Familie, auch wenn er sich als calvinistischer Hochschullehrer und republikanischer Bürgermeister als Großstadtmensch zeitgemäß Kreffting nannte, nicht vergessen, sondern dokumentiert.
Auch die katholische Reformbewegung des 17. Jahrhunderts, die nicht ohne Grund „Gegenreformation“ genannt wird, hat Durchgangsreisende geschaffen, die in Metelen zur Schule gingen. Ich denke an den Theologen Hermann Bavinck, der Pfarrer in S. Maria de Anima in Rom und Reiseführer für deutschsprachige Rompilger wurde. Seine Schriften kann man in der Heidelberger Universitätsbibliothek noch heute einsehen, auch wenn er vor Ort vergessen ist.
Noch immer sitze ich an der Fischtreppe der Vechte und denke mir, auch eine Fischtreppe schafft Durchgang, ist eine Furt – und in mir reift der Vorschlag: sollten die gelben Orts- und Hinweisschilder nicht auch ergänzt werden: Metelen an der Vechtefurt?
Metelens Gründungsgeschichte:
Münstersche Zeitung, Elvira Meisel-Kemper
Historisches Interesse an der Geschichte Metelens wurde schon immer durch viele Angebote genährt. Besonders magnetisch wirkt es allerdings, wenn bisherige Sichtweisen auf die Geschichte durch neuere Forschungen in Frage gestellt werden. Am Mittwochabend war diese Stimmung im Sitzungssaal des Alten Amtshauses besonders spürbar
Das Interesse am Vortrag über Metelens Gründungsgeschichte war rege.
Foto: Elvira Meisel-Kemper
Historisches Interesse an der Geschichte Metelens wurde schon immer durch viele Angebote genährt. Besonders magnetisch wirkt es allerdings, wenn bisherige Sichtweisen auf die Geschichte durch neuere Forschungen in Frage gestellt werden. Am Mittwochabend war diese Stimmung im Sitzungssaal des Alten Amtshauses besonders spürbar.
Dr. Claudia Moddelmog, Historikerin aus Zürich, zog mit ihrem Vortrag "Metelen ohne Billunger - Hauskloster ohne Haus" Interessierte aus Metelen und den Nachbargemeinden an. Dr. Jürgen Schmitter hatte sie im Namen des Arbeitskreises "Kulturraum Scopingau" dazu eingeladen. Veranstalter war die Gemeinde Metelen, organisatorisch unterstützt von Mitgliedern der Kulturinitiative Metelen (KIM). Konkreter Anlass waren die Jahresfeierlichkeiten "1125 Jahre Metelen".
"Ich hoffe, wir werden aus berufenem Munde die ganze Wahrheit erfahren", äußerte sich Bürgermister Helmut Brüning erwartungsvoll. "Vielleicht müssen wir Abschied nehmen von Friduwi aus dem Geschlecht der Billunger", differenzierte Schmitter die Erwartungshaltung.
Damit traf Schmitter ins Schwarze, denn Moddelmogs Vortrag war ein Zwischenbericht, noch kein Endergebnis ihrer Forschungen. Metelen gehörte zu einer Kette von Klostergründungen, die im frühen Mittelalter von Sachsen entlang der Fernstraßen auch im Münsterland stattfanden, belegt durch originale Gründungsurkunden der Jahre 889 und 993.
Neu übersetzt:
Moddelmog übersetzte die Metelener Gründungsurkunden neu und stieß auf Fehlerquellen, die offensichtlich ungefragt über Forschergenerationen hinweg weitergereicht wurden. "Im 14. Jahrhundert beginnt erst die Legende von den Billungern, die Metelen gegründet haben sollen", räumte Moddelmog mit einer Gewissheit auf. "In Sachsen explodiert die Klosterlandschaft und sie explodiert auf weibliche Weise", bestätigte Moddelmog die Zusammenhänge der Metelener Klostergündung mit den sächsischen Gründungen.
Aus Sachsen stammen die Billunger. Sie waren wahrscheinlich Vermittler zwischen dem Königshaus und dem Metelener Kloster und ihren Äbtissinnen, als es 993 darum ging, den Zugriff des Bischofs von Münster auf das Kloster zu verhindern. "In Metelen ist man gut beraten, wenn man nicht zu sehr nach den Billungern fragt", beendete Moddelmog den Zwischenbericht ihrer Forschungen.
Das Publikum haderte offensichtlich mit der Unterscheidung der Begriffe "Verwandtschaft" und "Geschlecht". "Wie wird das Wort in der Zeit verstanden? Das sind die Fragen, die wir heute stellen müssen", ließ Moddelmog eine konkrete Antwort offen.
Bedenken, dass das Metelener Kloster keine adlige Gründung gewesen sei, wischte sie vom Tisch. "Die bisherige Genealogie hilft mir bisher sehr wenig. Der Wichmann, der 1016 in Vreden bestattet ist, den sollte man unbedingt genauer untersuchen", gewährte Moddelmog einen Ausblick in ihre weiteren Forschungen.
"Die Arbeit der Historiker kann Legendenbildung in Frage stellen. Damit müssen wir leben", bedankte sich Schmitter bei Moddelmog.
Unsere Heimat
Was verbindet Metelen mit Mailand ?
Antwort: Der aus dem Keltischen stammende Ursprungsname: Mediolan(i)um.
In der letzten Septemberwoche 2010 erschien in der Borkener Zeitung ein Artikel „2000 Jahre Borken?“, in dem im Rückgriff auf eine SPIEGEL-Information über „Google Earth in der Antike“ darüber gerätselt wird, ob das heutige Borken mit dem von Ptolemäus in seiner „Geographia“ genannten Mediolanium identisch ist. Claudius Ptolemäus (gestorben um 175 nach Christus) war ein Universalgelehrter ( Mathematiker, Geograph, Astronom, Astrologe, Musiktheoretiker und Philosoph), der an der berühmten antiken Bibliothek in Alexandria arbeitete und auf Griechisch schrieb, wie es damals im oströmischen Reich üblich war. Die im Kreis Borken arbeitenden Archäologen sind eher skeptisch, ob Borken auf eine Ansiedlung namens „Mediolanium“ zurückzuführen ist. Aber gefragt wird, ob das ähnlich klingende „Metelen“ gemeint sein könnte. Dieser Hinweis hat mich, der ich mich für den Heimatverein Metelen mit Regionalgeschichte beschäftige und einen entsprechenden Arbeitskreis „Kulturraum Scopingau“ mit leite, neugierig gemacht. In den letzten zwei Wochen habe ich die Hintergründe dieses Hinweises in der Borkener Zeitung recherchiert und bin auf hochinteressante Hypothesen gestoßen. Regionalhistoriker arbeiten immer mit Vermutungen, für die es mehr oder weniger gute Gründe gibt.
Meine Ergebnisse sind:
- Vor ein paar Wochen ist das Ergebnis der „Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene' als Buch mit dem Titel „ Germania und die Insel Thule“ in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (Darmstadt 2010) veröffentlicht worden; Autoren sind Andreas Kleineberg, Christian Marx, Eberhard Knoblauch und Dieter Lelgemann. Mit Hilfe eines neuen Verfahrens der „geodätischen Deformationsanalyse“ sind sie in der Lage, die 6300 Orte und topographischen Punkte (wie Flussmündungen oder Berge), die Ptolemäus in seiner Geographia koordinatenmäßig festlegt (auch für „Germania magna“ außerhalb der römischen Provinzen), maßstabsgetreu in heutige Koordinaten umzurechnen. Von Ptolemäus sind uns keine Karten überliefert – das geschah erst im ausgehenden Mittelalter -, sondern, da er auch Mathematiker war, hat er ein eigenes Koordinatensystem für diese Orte entwickelt, das wir aus Handschriften ab dem 13. Jahrhundert kennen. Er selbst war nie in Germanien, hat sich aber von Händlern und Soldaten berichten lassen.
- Im oben genannten Buch heißt es auf S. 45/46 u.a.: „Mediolanium (griech. Mediolanion): Die entzerrten antiken Koordinaten von Mediolanium führen zu der auf einer Fläche von 23.000 m/2 ergrabenen Händlersiedlung“ von Borken, die schon im 2. Jahrhundert bestanden haben könnte. Auffallend ist allerdings das Erscheinen des keltischen Ortsnamens Mediolanium im Münsterland. Der keltische Ortsname zeigt sich jedoch häufiger z.B. als antiker Name der französischen Städte, in Mediolanium/Mailand sowie in einem weiteren Mediolanium im Südosten von Germania Magna. Der Ortsname enthält als ersten Bestandteil das keltische Wort für „Mitte“, die Bedeutung des Elements -lanum ist nicht geklärt. KRAHE und SCHÖNE (wohl Schöning gemeint) setzen wohl aufgrund der Ähnlichkeit beider Namensformen, Mediolanium mit Metelen (Kreis Steinfurt) gleich. Metelen liegt an der Vechte, die Ptolemaios vermutlich als Vidrus bekannt war. Nach Analyse der antiken Koordinaten könnte eine Identifizierung von Mediolanium mit Metelen ebenfalls in Frage kommen. (Hervorgehoben von mir).
- Der letztere Befund ist nicht neu, aber m.E. in Metelen bisher unbekannt. Bei Hans Krahe (Sprache und Vorzeit. Europäische Vorgeschichte nach dem Zeugnis der Sprache, Heidelberg 1954) heißt es auf S. 126:“Medio-lanum „Ort mitten in der Ebene“...ist nicht nur die Grundlage des heutigen Milano „Mailand“ in Italien, sondern auch von Medelingen bei Neumagen an der Mosel und von Metelen im nördlichen Westfalen.
- Wie vertragen sich diese Aussagen mit dem bisherigen Wissen? Reinhard Brahm, Archivar in Metelen, weist in seinem Stiftsführer „Damenstift Metelen“ (Dezember 2007) mit Recht darauf hin, dass der Name des Klosters „erstmals in einer Urkunde von 993 als Lagebezeichnung „de loco matellia“ (bei der Gerichtsstätte)“ erscheint (S.6) Und er fährt fort: “Durch Vokalaufhellung wurde aus der latinisierten Form matellia der heutige Ortsname Metelen.“ Dieser letzte Satz ist nach den obigen Befunden in Frage zu stellen.
- Die Stiftungsurkunde des Klosters vom 16. August 889 kennt keinen Ortsnamen, sondern Frau Friduwi, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem sächsischen Geschlecht der (frühen) Billunger stammt (vgl. T. Tschuschke, Die Billunger im Münsterland, in: Quellen und Studien zur Geschichte Vredens und seiner Umgebung, Vreden 1990), und die ihr gesamtes Erbgut König Arnulf überträgt, um auf diesem Grund ein Kloster zu errichten. (Vgl. zur Übertragungsproblematik „Stiftung oder Eigenkirche?“, bezogen auf die Urkunden aus Metelen von 889 und vor allem 993, neuestens Claudia Moddelmog, in: Gestiftete Zukunft im mittelalterlichen Europa, hrsg. von W. Huschner und F.Rexroth, Berlin 2008). Nichts spricht dagegen, dass an diesem Ort bereits seit längerem eine Siedlung existierte.
- Sowohl Ptolemäus als auch Tacitus (in seinen Annalen) kennen den Fluss, an dem das heutige Metelen liegt: die Vechte (lat.: Vidrus fluvius; griech.: Quidros potamos). Die Vechte fließt zwischen den schon zu römischer Zeit bekannten und benutzten Flüssen Rhein bzw. Ijssel und Ems. Sie war übrigens bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts zumindest bis Nordhorn schiffbar und hatte einen direkten Zugang zur Nordsee. Unzweifelhaft benutzten die Römischen Legionen diese Flüsse bei ihren „Expeditonen“ in das unbefriedete Germanien. Es spricht einiges dafür, dass Mediolanium an einer Vechte-Furt lag, die von Römischen Truppen wie von Händlern benutzt wurde, um von der Ems (Rheine) nach Xanten bzw. Nimwegen zu gelangen.
- Auch meine letzte Überlegung ist keine reine Spekulation: von Tacitus, dem römischen Geschichtsschreiber (gest. nach 117 n.Chr.) wissen wir, dass es im Jahr 15 n. Chr.die Schlacht an den Pontes longi zwischen germanischen Streitkräften unter Arminius und den römischen Truppen unter Aulus Caecina Severus gab. In diesem Zusammenhang war Caecina (unter dem Oberbefehl des Germanicus) gezwungen, sich mit einem Teil der Legionen von der Ems kommend nach Xanten (ins Vetera Castra) oder nach Novimagnus (Nimwegen) zurückzuziehen. Ein Blick auf die Karte zeigt: er muss bei seinem Rückzug die Vechte-Furt überquert haben.
Mit den oben dargestellten Begründungen vermute ich, dass Metelen weit vor der Klosterstiftung im Jahr 889 bereits als Siedlung an der Vechte-Furt existierte und Händler wie Soldaten die Überquerung der Vechte bei Mediolanium, einem Ort mitten in der Ebene, nutzten. Weitere schriftliche Quellen halte ich für unwahrscheinlich und für die germanische Zeit für unmöglich.
Aber Karl der Große wird – 700 Jahre nach Ptolemäus – diesen Weg vom Rhein über die Vechte zur Ems (also nördlich der Lippe) auch noch gekannt und benutzt haben . Und die Billunger konnten in den sächsischen Gauen entlang dieser „Straße“ ihren Einfluß stärken, auch, indem sie zu ihrem Gedächnis (zu ihrer memoria) Frauenklöster gründeten: von Vreden über Metelen bis Borghorst.
Freundlicher- und dankenswerterweise hat Herr Brahm, unser Archivar in Metelen, auf meine Hypothesen sofort reagiert und mich darauf hingewiesen:
- dass Bernhard Hegemann auf Seite 6 seines Buches „Stift und Gemeinde Metelen. Geschichtliche und heimatkundliche Beiträge in Einzelbildern“, Teil I. Stift Metelen, 2. unveränd. Auflage mit einer Einleitung von R. Brahm, Metelen, Januar 1992, schreibt: „Im Anfang des 2. Jahrhunderts erscheint auf einer Karte des Ptolemäus der im Lande der Brukterer gelegene Ort Mediolanum, den der Forscher Ledebur für Metelen an der Vechte hält“. Reinhard Brahm ist davon überzeugt, „dass diese Sicht sehr gewagt ist“. Und er schlägt weiterhin für die Ableitung des Namens Metelen vor: „ahd mathel – lat. matellia – Metelen“. Damit beruft er sich auf das Zitat „de loco Matellia“ aus der Kaiserurkunde vom 25. Januar 993. Auch Hegemann (a.a.O.S.6) versteht m.E. mit Recht matel/matellia als „Versammlungsplatz/Gerichtstätte, aber ob dies der Ursprung des heutigen Namens (erstmals 1310) ist, bleibt für mich – unabhängig von Ptolemäus unsicher; denn auch Hegemann erwähnt, dass unser Ort um 1202 wieder „Metelon“ geschrieben wird.
- Den Wert der neuesten „geodätischen Deformationsanalyse“, mit der auch der Ort „mediolanion“, der als Name bei Ptolemäus öfter unter den 6300 Fixpunkten vorkommt (eben auch als Herkunftsname für das heutige Mailand), will ich nicht unterschätzen. Auch Hans Krahe (Sprache und Vorzeit, Heidelberg 1954, S.126) verweist auf „Metelen im nördl. Westfalen“ und A. Schöning (Germanien in der Geographie des Ptolemaeus, Detmold 1962, S.118) kennt Metelen, Kreis Steinfurt, auch wenn er irrtümlicherweise (?) Metelen dem Rheinland zurechnet.
- Sicher stimme ich mit R. Brahm überein, wenn ich eine „Kurzinformation über Metelen“ aus dem Jahre 2006 für irrig halte, in der gesagt wird, das Kloster sei die „Urzelle“ Metelens. Der Ort verdanke seine Entstehung dem 889 gegründeten Frauenkloster. Die Siedlung ist sicher älter als das Kloster, wofür auch der vor zwei Jahren aufgefundene Kastenbrunnen im Areal des Stiftsgebäudes spricht, dessen Reste sorgfältig von Herrn Brahm geprüft und dokumentiert wurden.
- Grundsätzlich ist zu bedenken, dass die Germanen/Sachsen vor der Christianisierung keine schriftliche Überlieferung kennen und daher keine neuen Quellen zu erwarten sind. Aber vielleicht wird klarer, warum in den Gauen (z.B. im pagus scopingus) des 9. und 10. Jahrhunderts adelige Frauenklöster gegründet wurden: sie wurden nicht in die Wildnis gesetzt, die gerodet werden musste, sondern mitten in den Siedlungen entlang der alten Römerstraßen und an den Furten der Flüsse (z.B. der Vechte), um das Totengedenken der adeligen Geschlechter (memoria) wach zu halten, um den zunächst instabilen Christianiserungsprozess voranzutreiben und sich vor der zunehmenden Einflussnahme durch den Bischof von Münster zu schützen. Und wer konnte das besser als die schriftkundigen, gelehrten adeligen Frauen (z.B. der Billunger)?
Vortrag Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti, Vallendar
Die Christianisierung des westlichen Münsterlandes bis zum 9. Jahrhundert,
insbesondere des Scopingaus.
Schöpfen, nicht Schafe (Quelle: westf. Nachrichten)
Schöppingen - Der Ortsname Schöppingen stammt vermutlich vom Wort „schöpfen“ ab. So die Erklärung von Manfred Becker-Huberti, Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, bei seinem Vortrag am Dienstagabend. Sein Thema: „Die Christianisierung des westlichen Münsterlandes bis zum 9. Jahrhundert, insbesondere des Scopingaus“. Die Schöppinger Kirche sei zwischen 785 und 792 ganz bewusst an einer Quelle gebaut worden. „Zum Taufen braucht man fließendes Wasser“, betonte Becker-Huberti den über 100 Zuhörern im fast überfüllten Saal des Alten Rathauses. Für die Taufe musste Wasser aus dem Bach geschöpft werden, daher vermutlich der Name.Als fast ausgeschlossen bezeichnete er die heute gängige Erklärung, die den Namen auf Schafe zurückführt, die seit 1583 im Stadtwappen geführt werden. „Geben Sie dem Schaf ein Kreuz, das passt eher“, scherzte Becker-Huberti in Anspielung auf das Lamm Gottes und die Verbindung zur Kirche.Gerade die Schlussphase des Vortrags und die anschließende kurze Diskussion enthielten regionale und lokale Informationen, deretwegen die meisten Gäste wohl gekommen waren. Zuvor ratterte Becker-Huberti lange Zeit Namen und Jahreszahlen zum Thema herunter. Dabei fing er mit der Taufe Chlodwigs im Jahr 496 an. Die Besucher hörten fast endlos viele Zahlen, Stammesnamen, Könige, Missionare und Städte. Wer nicht ein großes Vorwissen mitbrachte, wurde mit Fakten überhäuft. „Der Vortrag war anstrengend“, empfand so auch Jürgen Schmitter, der mit dem Arbeitskreis Kulturraum Scopingau den Vortrag organisiert hatte. Da kein Beamer aufgebaut worden war, konnte Becker-Huberti seine Ausführungen auch nicht mit Bildern auflockern und verdeutlichen.Die Schöppinger Kirche war eine von vermutlich 38 Kirchen, die Münsters erster Bischof Liudger gründete. Und das noch teilweise vor seiner Zeit als Bischof. Liudger wurde erst am 30. März 804, einem Karsamstag, zum Bischof geweiht. „Heute ist Karsamstag der einzige Tag im Jahr, an dem kein Gottesdienst stattfinden darf“, sagte Becker-Huberti. So hätten sich die Zeiten geändert. Jahre zuvor hatte Liudger die Ernennung zum Bischof von Trier abgelehnt, weil er sich mehr als Missionar sah .Die Missionierung war auch sein Ziel im von Westsachsen bewohnten Münsterland. Im Abstand von Tagesmärschen hatte Frankenkönig Karl der Große Stützpunkte errichten lassen. Diese dienten später als Kirchenstandorte. Sie waren damit durch die militärischen Depots geschützt.